Pauline Harmange

Über das Recht auf Männerhass

© Monstrograph. Alle Rechte vorbehalten
© Monstrograph. Alle Rechte vorbehalten

 

Ein feministischer Sturm wirbelt derzeit nicht nur Frankreichs Literaturszene auf, sondern weht gleich auch höchste Stellen der Politik mit Ambitionen zur Zensur herbei. Personifiziert wird er durch die 25-jährige Autorin Pauline Harmange, deren Buch „Ich hasse Männer“ („Moi les hommes, je les déteste“) im August im Monstrograph Verlag erschienen ist und aufgrund seiner unverblümten Radikalität Furore macht. In ihrem Essay, der 96 Seiten umfasst, verteidigt Harmange das Recht auf Misandrie. Männerhass sei aufgrund der sexualisierten Gewalt, mit denen Frauen immer wieder konfrontiert werden, in ihren Augen vollkommen gerechtfertigt. Ihren Geschlechtsgenossinnen schlägt die junge Französin vor, toxische Beziehungen zu Männern abzubrechen und sich wieder auf die Vorteile von Schwesterlichkeit zu berufen. 

Nur wenige Tage nach der Publikation stand auch schon Ralph Zurmély vor der Tür, Beauftragter des Ministeriums für die Gleichstellung von Frauen und Männern und drohte dem kleinen unabhängigen Verlag strafrechtliche Konsequenzen an, sollte er die Veröffentlichung nicht zurückziehen. Die „Ode an den Männerhass“ sei, so Zurmély, nichts anderes als Aufstachelung zum geschlechtsspezifischen Hass und für ihn eine klare Straftat. Aber auch diese Aktion löste in Frankreich einen Sturm aus, in diesem Fall einen der Entrüstung über den Versuch der Zensur. Und nicht nur das: Er bescherte dem Buch nur noch größere Popularität. Alle Exemplare sind mittlerweile ausverkauft. Im Oktober will der Verlag Éditions du Seuil für Nachschub sorgen. Monstrograph-Verlegerin Coline Pierré bezeichnete die Vorwürfe als „lächerlich“ und den Buchtitel als provokativ, aber angemessen und in keiner Weise als Aufruf zu Gewalt. Selbst aus dem betroffenen Ministerium distanzierte man sich und bezeichnete den Vorstoß von Zurmély als persönliche Initiative. 

Doch wer genau ist die Feministin und was ist ihre Motivation? Pauline Harmange lebt in Lille mit ihrem Partner – offenbar einem der wenigen nicht überflüssigen und toxischen Männer – und ihrem Kater. Die Vegetarierin bloggt seit ihrem 15. Lebensjahr und zwar für die Sache der Frauen. Sie engagiert sich zudem ehrenamtlich in der Organisation „L’Échapée“ gegen sexualisierte Gewalt. Die Veröffentlichung ihres viel beachteten Essays sieht Harmange in keiner Weise als mutig an, sondern als logische Konsequenz auf die Gewalt von Männern gegen Frauen. Der Vorwurf der Misandrie ist für sie nur der diffamierende Versuch, kritische Frauen zum Schweigen zu bringen. Sie selbst lässt sich durch die Kritik jedoch nur wenig beeindrucken und steht zu ihrem Hass auf das andere Geschlecht. Wichtig ist ihr, zu betonen, dass auch die Gleichsetzung von Misogynie einerseits und Misandrie andererseits nicht funktioniere. Schließlich, so Harmange, sei das zweite nur die legitime Reaktion auf das erste. Zumal sich Misogynie im Gegensatz zu Misandrie, oft in Gewalt äußert, etwa sexualisierter, physischer oder psychischer. Klar wird beim Lesen, dass sich eine Mittzwanzigerin mit großen Fragen der Geschlechterbeziehungen auseinandersetzt, und zwar aus Frauenperspektive. Brauchen Frauen überhaupt Männer? Warum werden Frauen zu selten wütend? Wieso entlarven wir angeblich großartige Männer nicht als das, was sie meist sind – nämlich mittelmäßig? Ihr Fazit: Misandrie ist der Schlüssel zur Befreiung und eigentlich eine einzige Feier. Erst damit können Frauen die Liebe untereinander finden und in der schwesterlichen Komplizenschaft ihr Glück finden. 

Auch wenn Pauline Harmanges Schlüsse und Forderungen vielen als brutal und überzogen vorkommen mögen, lohnt es sich auch und gerade in Deutschland, wo radikale Statements dieser Art verpönter sind und Gleichberechtigung, verglichen mit Frankreich, oft noch ferner scheint, sich diese näher anzusehen. Zum einen, weil viele große Fragen, die sie aufgreift bereits vor vielen Jahren, diskutiert wurden, aber kaum wesentliche Besserung für die Lage der Frauen gebracht haben, und zum anderen, da eine 25-Jährige, die unbeirrt eine solche Debatte lostritt, selbst wenn sie es selber abstreitet, durchaus als mutig bezeichnet werden kann. Bleibt abzuwarten, ob "Ich hasse Männer" die deutschen Gemüter ebenso erhitzt wie die unserer Nachbarn. Eine eigene Meinung kann sich die Leserschaft hierzulande im Dezember machen. Dann wird das Buch im Rowohlt Verlag erscheinen.

 

Jana Idris

Minal Dakhave Bhosale

Die Frau hinter Indiens erstem Corona-Testkit

Minal Dakhave Bhosale hat erst eine Sensation auf den indischen Markt gebracht – und wenige Stunden später eine Tochter auf die Welt. Die Wissenschaftlerin hat Ende März für Mylab, eine Biotechnologie-Firma im indischen Pune, das erste Covid-19-Testkit entwickelt, das „Made in India“ ist. Das Ganze gelang ihr und ihrem zehnköpfigen Team in der Rekordzeit von sechs Wochen. Schnell liefert das Kit ebenfalls die Testergebnisse: „Unser Kit zeigt bereits nach etwa zweieinhalb Stunden ein Ergebnis, die importierten Tests haben bisher für diese Information durchschnittlich über sieben Stunden benötigt“, erklärt die Virologin, die bei Mylab Leiterin im Bereich Entwicklung und Forschung ist. Mit jedem Kit, das 1200 Rupien, also umgerechnet 16 Dollar kostet, können 100 Proben entnommen werden. Dies macht etwa ein Viertel der Kosten aus, die Indien dafür ausgeben müsste, um Corona-Testkits aus dem Ausland zu importieren. Bisher hat Indien viele Kits aus Deutschland eingeführt. Kritik gab es besonders dafür, dass in dem südasiatischen Land mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern zu wenig getestet wurde. Darauf angesprochen, dass sie wenige Stunden vor der Entbindung ihr Testkit an die Zulassungsbehörde schickte, erwiderte Bhokale nur: „Es war ein Notfall. Ich wollte den Dienst an meinem Heimatland vor meine persönlichen Bedürfnisse stellen. Letztlich kommt es mir aber vor, als hätte ich zwei Babies bekommen.“

 

Jana Idris

Esther Duflo

Armutsforscherin erhält Wirtschaftsnobelpreis

© Nobel Media 2019. Illustration: Niklas Elmehed
© Nobel Media 2019. Illustration: Niklas Elmehed

Als die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am 14. Oktober verkündete, dass die amerikanisch-französische Ökonomin Esther Duflo mit dem diesjährigen Ehrenpreis der schwedischen Reichsbank ausgezeichnet werde – im Volksmund als Wirtschaftsnobelpreis bezeichnet – , galten ihre ersten Gedanken ihren Kolleginnen. Sie hoffe, so Duflo, mit dieser Auszeichnung repräsentativ für alle Wirtschaftswissenschaftlerinnen zu stehen, eine Inspiration für andere Frauen in der Forschung zu sein sowie Männer zu mehr Respekt gegenüber Frauen zu bewegen. Neben der 46-jährige Armutsforscherin Neben Duflo wurden auch ihr Ehemann, der indischstämmige US-Wissenschaftler Abhijit Banerjee, sowie der US-Amerikaner Michael Kremer mit dem Preis geehrt. Die drei Spitzenforscher im Bereich Armut und Entwicklungshilfe haben in ihren Arbeiten die Auswirkungen von Entwicklungshilfe untersucht, etwa in Indien oder Kenia. Die Akademie erklärte, dass diese Forschung einen wesentlichen Beitrag zur Bekämpfung der weltweiten Armut geleistet hätte. Esther Duflo, die in Paris geboren wurde und am renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) lehrt, ist erst die zweite Frau, die den Preis entgegennehmen darf. 

Birgit Birnbacher

Preisträgerin des diesjährigen Ingeborg-Bachmann-Preis

Credit: Johannes Puch
Credit: Johannes Puch

Die österreichische Soziologin und Autorin Birgit Birnbacher hat bei den 43. Tagen der deutschsprachigen Literatur den diesjährigen Ingeborg-Bachmann-Preis gewonnen. Der mit 25.000 Euro dotierte Preis wurde ihr am 30.6. in Klagenfurt verliehen. Zum ersten Mal in 43 Jahren waren beim Klagenfurter Wettlesen mehr Frauen als Männer vertreten. Birnbacher thematisiert in ihrem Prosatext „Der Schrank“, einer soziologischen Studie, das Verschwinden einer Frau. Die Mittdreißigerin verkriecht sich kurzzeitig in einen Schrank, als ein staatlicher „Beobachter“ vorbeikommt, um die Verhältnisse im Wohnhaus zu untersuchen. Es ist ein Text über die neue Arbeitswelt und prekäre Lebensverhältnisse. Geboren wurde Birgit Birnbacher 1985 in Schwarzach, heute lebt sie mit ihrem Sohn in Salzburg. Die Jury lobte „Der Schrank“ als „Mikrostudie der Lebensverhältnisse“ mit „knisternder“ und „aufrührender“ Sprache. Nach einem frühen Schulabbruch und Freiwilligenarbeit in Äthiopien und Indien studierte Birgit Birnbacher später Soziologie und Sozialwissenschaften. Während sie anschließend als Sozialarbeiterin arbeitete, begann sie zu schreiben und 2012 ihre Literatur zu veröffentlichen. Ihre literarische Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet. 

 

Jana Idris

Sisters of Europe

Neue Plattform über inspirierende Frauen

© Sisters of Europe
© Sisters of Europe

Wie geht es dem Feminismus in Europa, hundert Jahre nach der Suffragetten-Bewegung? Um diese Frage zu beantworten, gründeten zwei Journalistinnen, die Französin Prune Antoine und die Griechin Elina Makri, die Plattform Sisters of Europe, die sich zum Ziel gesetzt hat, inspirierende Frauen in Europa bekanntzumachen und miteinander zu vernetzen. Sisters of Europe stellt 17 Frauen aus ganz Europa vor, die für eine besondere Idee, eine bedeutende Entscheidung oder Bewegung stehen. Darunter sind Junge und Ältere, eine Astronautin und eine Arbeiterin, Aktivistinnen und Unternehmerinnen oder Ärztinnen und Abgeordnete und somit eine Vielfalt von Frauen, die sich nicht nur über die üblichen Kategorien "Opfer, Mutter und Superfrau" definieren lassen und ebenso wenig unbedingt das Adjektiv feministisch für sich reklamieren. Das Besondere der Plattform ist zudem, dass sie nicht Europa in seinen politischen Grenzen, sondern als kulturellen Raum begreift. Aus diesem Grund sind auch Frauen aus der Türkei, der Ukraine oder der Schweiz interviewt worden. Neben einigen bereits bekannten Gesichtern, wie die Schwedin Greta Thunberg oder die französische Comic-Autorin Emma, freut man sich viele unbekannte Gesichter wie etwa die ukrainische Minenarbeiterin Elena Maslova oder die vier kosovarischen Frauen aus dem Haveit Collective zu entdecken. Nach der ersten Veranstaltung in Berlin Anfang März, organisiert Sisters of Europe weitere Diskussionen in Paris, Warschau und Athen. Danach möchten die beiden Journalistinnen dem europäischen Parlament eine Reihe von konkreten Vorschlägen übergeben, die Lage von Frauen zu verbessern sollen.

 

C.C

Alexandria Ocasio-Cortez

Amerikas neue Linke

©Jennifer Mason
©Jennifer Mason

Alexandria Ocasio-Cortez, Aktivistin und Politikerin sowie Mitglied der Demokraten, bringt frischen Wind in die konservative US-Politik – und gehörig Gegenwind für Präsident Donald Trump. Ocasio-Cortez ist sozusagen der bzw. die Anti-Trump und somit das genaue Gegenteil zum reichen, weißen, alten Mann: Die Aktivistin ist erst 29, weiblich, stammt aus einfachen Verhältnissen und hat puertorikanische Wurzeln. Sie gehört einer neuen US-amerikanischen Linken an, die kein Blatt vor den Mund nimmt und mit dem Establishment, auch und gerade in der eigenen Partei, abrechnen will. Eine bis vor Kurzem noch unbekannte Frau, die in der Bronx aufwuchs, den Aufstieg hart erkämpfte und die, so die New York Times, auf einen Schlag zum „politischen Rockstar“ wurde. Die Politikerin kämpft gegen den allgegenwärtigen Rassismus im Land, gegen Frauenfeindlichkeit und soziale Ungleichheit.  Mit ihrer Forderung nach einem 70%-Steuersatz macht sie den Superreichen Angst. Am 7.Februar stellte sie ihre Initiative „Green New Deal“ vor, nach der die USA in den nächsten zehn Jahren bis zu 100 Prozent erneuerbare Energien nutzen sollen. Leider sieht es in den nächsten Jahren schlecht um eine Präsidentschaftskandidatur der Demokratin aus. Selbst im Jahr 2020 wäre dies ausgeschlossen, denn das höchste Amt im Land darf nur übernehmen, wer mindestens 35 ist. 

 

Jana Idris

Katrín Jakobsdóttir

Beliebte isländische Premierministerin

©Baldur Kristjánsson
©Baldur Kristjánsson

Ende November sind über 500 Frauen aus aller Welt in Reykjavik zusammengekommen, um beim ersten „Women Leaders Global Forum“ über gesellschaftlichen Fortschritt, Frauen in Führungspositionen und Künstliche Intelligenz zu diskutieren. Ideen sollen geteilt und Lösungen für globale Herausforderungen und Probleme gefunden werden. Dass das Treffen in Island stattfand, wo es auch in den kommenden drei Jahren tagen soll, ist kein Zufall. Das Land gilt schon lange als vorbildlich in Sachen Gleichberechtigung. Die Anwesenden werden laut Forum nicht als „Teilnehmerinnen“, sondern als „Führerinnen“ angesehen. 

Unter den Ko-Vorsitzenden befindet sich auch die isländische Premierministerin Katrín Jakobsdóttir von der Links-Grünen-Bewegung. Jakobsdóttir gehört zu den beliebtesten Politikerinnen im Land. Anlässlich des Großevents sagte sie, sie sei stolz, dass Island auf der „Global Gender Gap List“ am besten platziert sei. Dennoch sieht sie viel Arbeit vor sich. Ein erster Schritt sei ihrer Meinung nach die Akzeptanz von Geschlechterungleichheit und der Schritt, Frauen in vielerlei Bereichen an den Tisch zu bringen. Genau dazu dient, dass Women Leaders Global Forum. Schlüsselaspekte sieht die Isländerin nicht nur in mehr gesellschaftlicher Teilhabe, sondern auch in finanzieller Unabhängigkeit und einer damit zusammenhängenden Familienpolitik, die Gleichberechtigung fördert, etwa durch faire Elternzeitregelungen. „Ich wäre nicht, wo ich jetzt bin, ohne die geteilte Möglichkeit zur Elternzeit“, so die Politikerin, die zurzeit das jüngste weibliche Staatsoberhaupt Europas ist.

 

Jana Idris

Insa Thiele-Eich

Zukünftige erste deutsche Astronautin?

© Manfred h. vogel
© Manfred h. vogel

Eine Privatinitiative will Geschichte schreiben und die erste deutsche Astronautin ins Weltall schicken. Gerade jetzt, wo das 50. Jubiläum der Mondlandung bevorsteht und Unternehmer, Wissenschaftler und Privatleute wieder verstärkt Reisen zum Mond und Mars planen, eine gute Gelegenheit sich das Projekt rund um die passionierten Astronautinnen näher anzuschauen. 

Gegründet wurde die Initiative mit dem Namen „Astronautin“ von Claudia Kessler, Luft- und Raumfahrtingenieurin sowie Geschäftsführerin der HE Space Operations. Das Ziel: Endlich auch deutsche Frauen im All zu sehen und dabei gleichzeitig, Mädchen für Technik und Raumfahrt zu begeistern. Im Frühjahr 2017 wurden schließlich in Kooperation mit dem DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) sowie Airbus unter 400 Bewerberinnen zwei Astronautinnen auserwählt, die 2020 zur Internationalen Raumstation ISS fliegen könnten: Eine davon ist Dr. Insa Thiele-Eich, geboren 1983 in Heidelberg und mittlerweile Mutter von drei Kindern. Die Meteorologin und wissenschaftliche Koordinatorin am Meteorologischen Institut der Universität Bonn betreibt Grundlagenforschung, die einer verbesserten Wetter- und Klimavorhersage dienen soll. Ihre Doktorarbeit schrieb sie über die Auswirkungen des Klimawandels auf Bangladesch. Ihre Leidenschaft für die Raumfahrt hat die junge Frau von ihrem Vater Gerhard Thiele, selbst einst Astronaut. „So lange mich Leute im Jahr 2018, bald 2019, fragen ‚Wie, Frauen können auch Astronautin sein?‘, wird mir klar, dass wir ganz dringend eine erste deutsche Astronautin brauchen!“

 

Jana Idris

Whitney Wolfe Herd

Die Bienenkönigin des Dating

© Stuart Isett/Fortune by Flickr
© Stuart Isett/Fortune by Flickr

Oft stellen Niederlagen eine wichtige Etappe in der Entdeckung der eigenen Potenz dar. Whitney Wolfe Herd ist gestürzt und heute wieder ganz oben. Die 28-jährige Frau, die als Comeback Kid der Dating-Welt gilt, hat vor drei Jahren Bumble, eine Dating-App eines neuen Genres gegründet, bei dem die Frauen das Sagen haben. So wie bei Tinder können sich die Nutzer Profile von anderen anschauen. Aber nur die Frauen können die Männer ansprechen. Sie will damit eine der gesellschaftlichen Normen ändern, die laut ihr von Kindesalter an einprogrammiert würde, nämlich dass die Männer aktiv und dominant sein sollen während die Frauen passiv und nett bleiben. Es geht also um weibliches Empowerment im Reich der Verführung. Auf Bumble findet man keine Männer mit nackten Oberkörper, die Gründerin, die letzten März bei der Digitalkonferenz SXSW in Austin auftrat, hat solche Bilder von der Plattform verbannt. Außerdem sind 85 % der Mitarbeiter Frauen, eine Seltenheit in der Tech-Welt. Ihr Modell scheint zu funktionieren denn schon heute hat Bumble 26 Millionen Nutzer, Tendenz steigend. Dieser Erfolg ließ den großen Rival Tinder, die weltgrößte Kuppel-Maschine per App, nicht kalt. Er kündigte eine Einstellung an, die den Frauen ermöglicht, Männer zuerst anzusprechen. Vor diesem Erfolg war sie im Mittelpunkt eines Skandals um Tinder. Whitney Wolfe Herd war bei Tinder von Anfang an dabei. Sie lernte die drei Gründer kennen, noch bevor es die Idee zu der Dating-App gab. 2012 startete Tinder, sie erfand den Namen und wurde Marketingchefin. Der Erfolg kam sofort. Sie geriet in Schwierigkeiten nachdem sie eine kurze Affäre mit einem der Gründer hatte. Sie zeigte ihn wegen sexueller Belästigung an, die Auseinandersetzung mit ihm und manche SMS wurden öffentlich gemacht. Sie einigten sich außergerichtlich, 2014 verließ Wolfe Herd verzweifelt das Unternehmen. Die junge Frau ist in Salt Lake City, aufgewachsen. Sie war ganz früh ein Unternehmertalent, gründete noch im Gymnasium einen Verein und eine Kleidungsmarke, dann reiste sie durch Asien. Als sie Tinder verließ, wollte sie endgültig mit dem Datinggeschäft aufhören. Heute wird sie als « Bienenkönigin des Dating » genannt, Bumble heißt ja auf deutsch « summen ». Ihr Reich wird sicher weiter wachsen.

Marielle Franco

Die Vorkämpferin der Favela wurde ermordet

©Mídia Ninja by Flickr
©Mídia Ninja by Flickr

Sie nahm kein Blatt vor den Mund und musste wahrscheinlich dafür sterben. Marielle Franco, 38-jährige Stadträtin der Partei für Sozialismus und Freiheit (PSOL) in Rio de Janeiro wurde am 14. März mit vier Kopfschüssen im Zentrum der brasilianischen Metropole  ermordet. Für die vielen Menschen, die sie jetzt vermissen, verkörperte sie die Hoffnung einer neuen Linken, einer anderen Politik und einer gerechteren, toleranteren brasilianischen Gesellschaft. Allein mit ihrer Biografie setzte diese charismatische Frau andere Maßstäbe: Afrobrasilianerin, homosexuell, alleinerziehende Mutter. Obwohl sie in der Favela Maré aufgewachsen war, einem dieser Elendsviertel im Norden von Rio, schaffte sie den Schulabschluss, studierte Soziologie. Zur Aktivistin wurde Marielle Franco, nachdem jemand aus ihrem Freundeskreis bei Kämpfen zwischen Polizei und Gangs von einer verirrten Kugel getötet worden war. 2016 wurde sie zur Stadträtin gewählt. Marielle Franco war nah an ihren Wählern und beteiligte sich an Diskussionen mit örtlichen Gruppen und Kollektiven. Mutig prangerte sie kriminelles Handeln von Polizisten in den Favelas von Rio an und machte sie für den Tod von hunderten von Favelabewohner jedes Jahr verantwortlich. Marielle Franco hatte auch die Militärintervention kritisiert, die letzten Februar von der brasilianischen Regierung angeordnet wurde, um die Krise der öffentlichen Sicherheit im Bundesstaat Rio de Janeiro zu begegnen. Nun ist ihre Stimme für immer erloschen. Aber ihr brutaler Tod hat sie innerhalb von paar Tagen international bekannt gemacht. Künstler und Prominente aus aller Welt haben sich mit den Trauernden in Rio de Janeiro solidarisiert und Gerechtigkeit und Aufklärung gefordert. Für ihre Anhänger bleibt Marielle Franco für immer "presente" (anwesend).

Marichuy

Die indigene Präsidentschaftskandidatin kann nicht antreten

© Adriàn Martìnez/Flickr
© Adriàn Martìnez/Flickr

"Stell dir vor, wir hätten eine indigene Präsidentin". Diese Frage haben sich viele Mexikanerinnen und Mexikaner in den letzten Monaten gestellt. Seitdem Maria de Jesus Patricio Martinez, genannt Marichuy als unabhängige Kandidatin im Mai 2017 von dem Nationalen Rat der Indigenen (CNI) für die nächste Präsidentswahl im Juli designiert wurde, war das Land im Aufruhr. Viele Intellektuelle wie der Schriftsteller Juan Villoro und Feministinnen unterstützten ihre Kandidatur. Nach ihrer offiziellen Registrierung letzten Oktober bei der Wahlbehörde, reiste die 54-Jährige quer durchs Land, besuchte sowohl abgelegene Dörfer als auch große Städte. Der Traum ihrer Anhänger nach weniger Korruption, weniger Armut und Ungleichheit zerplatzte nun. Marichuy erreichte am 19 Februar mit nur 267.115 Unterschriften lediglich 30,8 Prozent der für eine Zulassung notwendigen 866.593 Unterstützungserklärungen aus mindestens 17 der 32 Bundesstaaten. Diese bescheidene Frau, die sich lieber als Sprecherin des CNI beschreibt, war in vierlerlei Hinsicht eine ungewöhnliche Kandidatin. Allein von ihrer Herkunft: sie wuchs in einer armen Bauernfamilie mit elf Kindern in der Kleinstadt Tuxpàn im zentralmexikanischen Bundesstaat Jalisco auf, wo sie noch heute mit ihrem Mann lebt. Als kleines Mädchen musste sie Kürbiskerne verkaufen, damit alle genug zu essen hatten. In ihre Heimatstadt, betreibt sie ein kleines Gesundheitszentrum, wo sie Patienten nach indigener Tradition mit Naturheilpflanzen behandelt. Als Kandidatin brach sie mit vielen üblichen codes: ohne Make-up, in traditioneller Tracht, redete sie leise und konzentriert, polemisierte nicht oder hielt nicht unendliche Versprechen, hörte am liebsten ihre GesprächpartnerInnen zu. Sie hatte kein Programm und sagte, dass, für sie das Ziel nicht ihre Wahl war, sondern die Interessen der indigenen Bevölkerung in der Öffentlichkeit zu bringen. Seit 30 Jahren kämpft sie für die Rechte der Indigenen, die 12 % der mexikanischen Bevölkerung ausmachen. Bei Veranstaltungen thematisierte sie auch Frauenmorde, häusliche Gewalt und Sexismus. "Die Zeit der Frauen sei gekommen", rief sie ihrem Publikum zu. Und die Zeit der indigenen und aller anderer Minderheiten. "Nunca massive un México sin nostros". "Viva Marichuy" möchte man rufen. Man wird sicher noch in der Zukunft von dieser Frau hören.